In einem bekannten Kinderlied heißt es: „Bunt, bunt, bunt sind alle meine Kleider, bunt, bunt, bunt ist alles was ich hab. Darum lieb ich alles was so bunt ist, weil mein Schatz ein Maler ist.“ Wir singen ab heute: „Bunt, bunt, bunt sind alle uns’re Wände …“ Und der Grund ist auch nicht so weit hergeholt: Keine Maler waren in der Hildesheimer Nordstadt unterwegs, sondern acht internationale Graffiti-Artists. Am 20. Oktober 2019 feierte die dritte Ausgabe des KUFA-Stadtkulturprojekts Nordstadt-Wandgalerie unter dem Motto „Innensichten“ Eröffnung.
Hildesheim. Hauptbahnhof. Nordausgang.
Es ist ein Sonntag im Oktober. Es regnet leicht. Am Nordausgang des Hildesheimer Hauptbahnhofs versammelt sich eine etwa 80-köpfige Truppe Menschen. Als wir losgehen, sieht es aus als würde ein bunter Strom durch die Straßen in die Nordstadt fließen. Doch es sind nicht nur die bunten Regenjacken und Schirme, die Farbe in den blassen Herbsttag und das graue Betonlabyrinth bringen. Unser Spaßziergang führt uns entlang jener Hausfassaden, die in den vergangenen Jahren verschönert, und hin zu den Trafohäuschen und Stromkästen, die dieses Jahr verziert wurden.
Senkingstraße. Jawoll-Parkplatz. Alexander Bredens Stromhäuschen.
Vor den Werken, meist den großen Flächen, bleiben wir stehen. Wir verharren. Mal erzählt Projektleiterin Lina Czapla. Dann wieder erzählen die Künstler*innen. Wir hören die Geschichten, die hinter den Bildmotiven stehen. Wir sehen die Kunstwerke und lassen sie auf uns wirken. Oder wir sehen die Künstler*innen vor unserem geistigen Auge. Wie sie tagelang, mehrere Wochen mit Spraydosen, Mundschutz, Handschuhen, Skizzen und auch im September schon mit Regenschirmen die Nordstadt belagerten, um sie zu gestalten. Bunter zu machen.
Bischofskamp. Große Wand – von Do Khai Tran und Stefan Leußer.
Auf Zetteln kann das Publikum aufschreiben, was es selbst mit den abgebildeten Gegenständen verbindet. Erinnerungen, Gefühle, Bilder. Vielleicht Geräusche oder auch Gerüche. Die Zettel werfen wir anschließend in eine Kiste. So wurde Raum geschaffen, um sich untereinander auszutauschen, Geschichten zu erzählen, Assoziationen und Gedanken zu sammeln und Wünsche für die Zukunft des Projekts zu äußern.
Friedrich Nämsch Park. Das Stromhäuschen von Simis.
An jedem gemeinsamen Haltepunkt tauchen wie selbstverständlich verschiedene Themen auf. Hier sprechen wir über die Formen und Farben, die uns faszinieren. Dort sind eher die Geschichten hinter den Graffitis interessant. Oder die Interpretation durch die Künstler*innen rückt bei den Gesprächen in den Fokus.
Hochkamp. Martin-Luther-Straße. Sachsenring: Muntu621 und Innocent Buregeya.
Die Nordstadt ist mit der dritten Ausgabe der Outdoor-Gallery Nordstadt-Wandgalerie noch bunter geworden. Noch bunter als die Gruppe Menschen, die an diesem Sonntag tapfer und interessiert durch den Regen stapft. Die Besichtigungsrunde ist lang. Umso schöner, dass wir dem Wetter zum Trotz (fast) alle bis zum Schluss zusammenbleiben.
Peiner Straße. Heinrichstraße. Stromkästen von Florian König und Pia Chwalczyk.
Am Ende kehren wir im Faserwerk ein. Wir sitzen gemütlich beisammen, wärmen uns auf. Dank Leyla gibt es syrische Köstlichkeiten: Reis, Couscous, gerollte Weinblätter. Außerdem schwarzen Tee aus dem Samowar. Und für einen entspannten Abschluss spielen Hubert & Mehmet.
Eröffnung verpasst? Geh selbst!
Ab sofort kann die Outdoor-Gallery natürlich jederzeit besichtigt werden. Alle Graffitis sind frei zugänglich. Alle Hintergrundinformationen lest ihr im Katalog „Innensichten“: Das Konzept der diesjährigen Ausgabe, die Geschichten der beteiligten Nordstädter*innen und Interviews mit den Künstler*innen. Natürlich ist auch ein Lageplan enthalten, wo die Kunstwerke der Nordstadt-Wandgalerie zu finden sind. Den Katalog erhältst du in der KUFA (Langer Garten 1) oder im Faserwerk am Ottoplatz.