Krisen überleben, Kooperationen stärken

Die KUFA bewegt sich in einem Feld der Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Akteur*innen. Zahlreiche Projekte und Kooperationen stecken hinter dem vielfältigen Angebot, das die KUFA stemmt. Der folgende Vortrag von Geschäftsführerin Jana Kegler entstand anlässlich der Tagung „Fehlende Einnahmen – Steigende Ausgaben. Wie überleben wir die Krise?“ vom 02.11.2022 und behandelt die Frage, wie eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Kommune und soziokulturellen Einrichtungen gestaltet aussehen kann.

Gemeinsame Sache? – Kooperationen mit der Kommune

Seit 2018 arbeite ich in der Kulturfabrik Löseke e.V. und habe unter anderem das Faserwerk – einen Projektladen mit Werkstätten, Second Hand Bereich und dem Fokus für partizipative Stadtgestaltung/Stadtprojekte ins Leben gerufen. Im Faserwerk und in weiteren soziokulturellen Projekten arbeiten wir viel bereichsübergreifend und kooperativ.

In der Zusammenarbeit mit der Kommune habe ich in den letzten Jahren dabei schon alles Mögliche erlebt. Vom Bußgeldverfahren und Beschwerden bis zu wunderbaren Kooperationen und wirklichen gemeinsamen Projekten, die eine langfristige Veränderung herbeigerufen haben.

In einer soziokulturellen Praxis, die das gesellschaftliche Miteinander gestaltet und dabei Bewohner*innen der Kommune einbeziehen möchte, um Zusammenhalt, Kreativität und Identifikation zu stärken, gibt es große Berührungspunkte mit kommunalen Aufgaben.

Immer wieder stelle ich fest: die Zielsetzungen sind sehr ähnlich. Es geht um Menschen – es geht ums gesellschaftliche Miteinander – meist mit Bezug zum Lebensumfeld und zur Region. Und bei der Frage „Wer gestaltet die Stadt/die Region?“ kann es meiner Meinung nach eigentlich nur eine Antwort geben: das tun Viele!

Das sind nicht nur die kulturellen Akteur*innen und nicht nur die Kommune, sondern auch Kirchen, Sozialträger*innen, Schulen, Unternehmen und auch die Bewohner*innen bilden einen Teil eines großen Netzwerks, welches Einfluss auf das Zusammenleben hat. Und auch „die Kommune“ – die gibt es so nicht. „Die Kommune“: das sind ganz viele Menschen in Politik und Verwaltung, in verschiedenen Abteilungen und mit unterschiedlichen Wirkungsbereichen. In diesem Gefüge bewegen wir uns und bei der Frage nach einer nachhaltigen Entwicklung greifen diese Ebenen ineinander, verweben sich und ergänzen sich. Das macht es ganz schön komplex.

Insbesondere, weil alle Erwähnten jeweils mit ihrem eigenen Fokus arbeiten, mit eigenen Zielsetzungen, Intentionen und auch in ihrer jeweiligen Geschwindigkeit: Ein soziokulturelles Projekt hat meist nur eine Laufzeit von einem Jahr, bis Ergebnisse sichtbar sein sollten. Wenn eine Kommune aber beispielsweise einen Schulweg optimieren möchte, dann ist das in der Regel ein mehrjähriger Prozess.

Dass Kommune und Soziokultur aus möglichst neutralen Positionen heraus und auf Augenhöhe zusammenarbeiten, ist dabei gar nicht so leicht. Fast immer gibt es Abhängigkeiten auf einer finanziellen oder strukturellen Ebene, wie bei benötigten Genehmigungen beispielsweise.

Wie kommt man trotz solcher Abhängigkeiten und verschiedener Zeiträume hinein in eine tatsächliche, gelingende Zusammenarbeit?

Es gilt gemeinsam zu klären: Wo ist Entwicklungspotenzial? Wo ist Handlungsspielraum? Wo darf sich etwas verändern? Und wer muss dabei angesprochen und involviert werden?

Stellt man diese Fragen nicht nur an die eigene Institution oder das eigene Team, sondern gemeinschaftlich mit einer Kommune und weiteren Akteur*innen zusammen – dann wird es richtig spannend.

Ein Beispiel aus der Projektarbeit

In der Justus-Jonas-Straße in Hildesheim kommen viele Anliegen zusammen. Die Straße ist Zuweg zu zwei Grundschulen, einer weiterführenden Schule, einem Hort und einer Kita. Neben der Straße ist eine sehr aktive Kirchengemeinde und die Straße ist Durchgangsweg zum Friedhof, einer Kleingartenkolonie und dem nördlichen Teil der Nordstadt in Hildesheim. Die Straße ist Teil des Sanierungsgebiets „Sozialer Zusammenhalt“ und soll 2025 zur Begegnungszone baulich umgestaltet werden.

Der kommunale Prozess dieser Umgestaltung dauert nun schon einige Jahre an – und trotz sehr aktiven Verantwortlichen seitens der Stadt bleibt das meiste davon nach außen eher unsichtbar. Erste Erfolge waren 2020 sichtbar, als auf Grundlage eines Schulwegekonzepts (2019) die Straße für den Nicht-Institutionsbezogenen-Durchgangsverkehr gesperrt wurde (Lehrkräfte etc. dürfen weiterhin mit dem Kfz passieren, Eltern-Kfz hingegen nicht mehr, Fahrräder etc. sind frei). Nun soll die Straße auch baulich umgestaltet werden. Ideenentwicklung, Entwurfsplanung, Machbarkeitsprüfung, Freigabe der Finanzmittel, Ausschreibungen und Vergaben – all das dauert, bis es zur baulichen Umsetzung kommt. Abgesehen von punktuellen Beteiligungen beim Stadtteilforum oder Informationsabenden ist der Bauprozess in erster Linie ein Schreibtischprojekt.

In diesem Falle jedoch, haben wir uns frühzeitig zusammengeschlossen mit den Projektverantwortlichen aus der Verwaltung, dem von der Stadt beauftragten Planungsbüro, mit dem Quartiersmanagement, mit der Kirche, den Schulen, der Kita, dem Hort, dem Ortspolizisten, Müllabfuhr und kulturellen Akteur*innen um gemeinsam zu fragen, was dieser Ort braucht.

In der ersten Phase brauchte die gesperrte Straße Experimente: Ideen wurden gesponnen und ausprobiert. Bunte Sitzelemente entlang des Kita-Zauns, Hochbeete zur Verkehrsberuhigung, Dinosaurier im Gebüsch, Kunstwerke auf Containern, aufgezeichnete Hüpfspiele, Parkplatzsimulationen und es wurde eine temporäre Brücke über den Zaun zur Kirchengemeinde gebaut. Im Zusammenschluss mit den genannten Akteur*innen konnten wir eine Menge ausprobieren. Und nicht nur wir konnten gemeinsam mit Schüler*innen und Anwohner*innen die Straße erleben, auch die Kommune und das Planungsbüro haben bei Veranstaltungen die Pläne einem großen Publikum vorgestellt, haben direkte Gespräche führen können mit Nutzer*innen der Straße und konnten in Reallaboren die neue Nutzung der Straße sehen und in die langfristige Planung aufnehmen.

Durch den Austausch, die gesammelten Ideen vor Ort und die durchgeführten Aktionen gibt es im überarbeiteten Entwurfsplan nun Trinkwasserbrunnen und Stromzugang, mehr Begrünung – weniger Linearität und es sind bewegliche Sitzbänke, statt quadratischen Betonblöcken geplant. Die Pläne haben sich verändert, durch die aktive Nutzung der Menschen während der temporären Aktionen. Und auch die Wahrnehmung der Straße hat sich gewandelt.

In Projekten wie diesen und bei anderen Vorhaben begegnen uns dabei „echte Menschen“ – immer wieder sind wir im Austausch und erfahren oft ganz persönlich, was Menschen bewegt. Wir können fragen, was sie brauchen, können hellhörig sein und gut hinschauen. Diese Begegnungen geben uns wiederum neue Inhalte, die aufgegriffen werden können und die sich auch vermitteln lassen. Dieser direkte Einblick ist Vertreter*innen der Kommune oftmals versperrt – hier ist die Soziokultur wichtiges Bindeglied um herauszufinden: Was braucht es eigentlich? Was wird angenommen? Was funktioniert? Was nicht? Was passt? Soziokultur kann die Ergebnisse erfahrbar machen und vermitteln!

Gelingt eine Zusammenarbeit zwischen soziokulturellen Akteur*innen und Verteter*innen der Kommune dabei nur über direkte Wege und persönliche Kontakte?

Irgendwie würde ich dem zustimmen, denn eine Zusammenarbeit mit der Kommune funktioniert eigentlich auch nicht anders, als in Partizipationsprojekten: zunächst möchten Menschen (auch innerhalb der Politik oder Verwaltung) begeistert werden, möchten verstehen, was das mit ihnen, ihrem Job oder ihrer Stadt/Gemeinde zu tun hat – es braucht einen persönlichen Bezug und eine Motivation sich mit Energie und Arbeitszeit einer Zusammenarbeit zu widmen. Dies mag mühsam sein, aber es lohnt sich, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen und gemeinsame Zielsetzungen zu formulieren. Über die persönlichen Kontakte verliert die Zusammenarbeit auch ein wenig ihren „Schrecken“ – es lässt sich leichter zusammenarbeiten mit „Judith“ und Frau Holzmann, als mit „dem Integrationsmanagement“ oder der „Abteilung für Sondernutzungen.“

Was bedeutet das im Umgang mit Krisen und Herausforderungen?

Für die ganz großen Krisen? Die gesellschaftlichen Herausforderungen? – da geht es nur gemeinsam! Viel zu komplex sind die Themen: Klimawandel & Nachhaltigkeit, Krieg & Fluchterfahrung, Energiekrise & Inflation (beispielsweise).

Nichts davon lässt sich mal eben so in einem amüsanten Nachmittagsprogramm, einem schönen Konzert oder einer guten Lesung lösen. Auch nicht in einem partizipativen Kindertheater oder in einem Bauworkshop. Aber es lassen sich immer wieder Perspektiven einnehmen, Themen werden verhandelt, werden sichtbar, werden in der Gesellschaft präsent und diskutiert. Es entstehen persönliche und individuelle Momente, Menschen werden gehört und gesehen. Und immer wieder können in der soziokulturellen Projektarbeit Experimente gewagt und Impulse gesetzt werden. Es kann vor allem schnell auf dringende Bedarfe reagiert werden und Lösungsansätze können ausprobiert werden.

Praxisnah und einfach machen – das gelingt aber natürlich nur, wenn das Vertrauen zwischen den Partner*innen da ist und voneinander bekannt ist, was jede*r beitragen kann. Dann kann den großen Themen & Krisen in der Zusammenarbeit mit der Kommune und anderen Akteur*innen auf einer eher horizontalen Ebene begegnet werden und die Erfahrungen und Ergebnisse daraus bilden die Grundlage für das Formulieren von Bedarfen und für eine langfristige Gestaltung der Kommune.

Für eine gelingende, bereichsübergreifende Zusammenarbeit wünsche ich mir deshalb:

  • Mehr Augenhöhe in der Zusammenarbeit mit der Kommune – auch wenn finanzielle Abhängigkeiten bestehen.
  • Mehr Austausch in einem bereichsübergreifenden Netzwerk und das Formulieren gemeinsamer Zielsetzungen. (Was wollen wir erreichen? Wer kann was beisteuern? Wie kann es ineinandergreifen?)
  • Eine besser finanzierte Basisarbeit, damit auch Zeit für diese Art von Netzwerkarbeit ist und die soziokulturelle Projektarbeit wirklich das Potenzial entfalten kann, das in ihr steckt.
  • Die Bedeutung der Soziokultur für das gesellschaftliche Miteinander, insbesondere in Krisenzeiten nicht zu unterschätzen.

 

Vortrag von Jana Kegler