Nachdem in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder zur scheinbaren Normalität zurückgekehrt wurde, hat die gesamte Veranstaltungsbranche weiterhin mit den Folgen der Covid-Pandemie zu kämpfen. Die Nachwirkungen auf die ganze Branche sind so verheerend, wie es Fachleute bereits seit langer Zeit vorausgesagt haben und die meisten anderen es leider nicht wahrhaben wollten.
Seit Beginn der Pandemie wurden geplante Veranstaltungen sukzessive verschoben. Manche Gäste zogen bereitwillig mit und haben sich mit immer wieder neuen Terminen arrangiert. Andere gaben irgendwann aus Frust ihre Tickets zurück. Verdient haben dabei in der Regel nur die VVK-Stellen, denn die VVK-Gebühren wurden in der Regel nicht erstattet. Beim Veranstalter blieb selten etwas hängen. Außer viel Arbeit in der Verwaltung und „Sorgentelefonate“ mit genervten Gästen.
Größere Shows, die 2020 geplant waren, können nun erst jetzt – 2,5 Jahre später – stattfinden. Allerdings sind diese Shows unter den Bedingungen von 2020 kalkuliert worden. Die Tagespauschalen für Techniker sind um ein Vielfaches gestiegen. Produktionskosten haben sich in manchen Bereich verdoppelt. Elementare Infrastruktur ist nicht lieferbar. Produktionen, die nun endlich stattfinden könnten, müssen kurz vorher doch abgesagt werden, weil kein Personal verfügbar ist. Das zieht sich durch alle Ebenen: Thekenpersonal, Security, Techniker, Helfer, Beleuchter – vor der Pandemie haben viele Arbeitskräfte nebenher im sogenannten Nachtgeschäft gearbeitet. Mittlerweile haben die sich jedoch alle andere (vermeintlich krisensichere) Jobs gesucht. Gerade wenn das Security-Personal fehlt, können viele Veranstaltungen aus Sicherheitsgründen schlicht nicht stattfinden.
Das Publikum zu erreichen, wird immer schwieriger. Wir haben hier eine Übersättigung des Marktes. Viele Konzerte müssen nachgeholt werden, dazu müssen durch Corona-Hilfspakete bewilligte Gelder im laufenden Jahr ausgegeben werden. Das bedeutet, es ist Geld für Gagen vorhanden und alle Bands drängen auf die Bühnen. Für dieses Überangebot gibt es jedoch leider kaum Publikum. So finden Konzerte unter 15% Publikumsauslastung statt. Denn Produktionen können nur gefördert werden, wenn sie stattgefunden haben. Das bedeutet: Sobald eine Band spielt, können Gagen und Personalkosten abgerechnet werden. Das Konzerterlebnis ist dabei weder für Band noch Publikum der Rede wert. Der besondere Moment der Live-Musik transportiert sich nicht mehr. In der Folge kommen immer weniger Gäste zu Konzerten. Da ist der Spieleabend oder das Netflix-Wochenende halt doch spannender geworden. Viele haben sich an die Abstinenz von Live-Events gewöhnt.
Es lässt sich nunmehr auch nicht mit einem VVK kalkulieren. Da das Publikum mittlerweile sehr zögerlich in Entscheidungen geworden ist, wird oft bis zum letzten Tag gewartet, ob ein Ticket im VVK erworben wird, oder nicht. Mit diesen Zahlen lässt sich eine Produktion jedoch im Vorfeld sehr schlecht kalkulieren. Das Glücksspiel an der Abendkasse wollen viele Veranstalter einfach nicht spielen und sagen dann lieber vorsorglich ab.
Auch wenn die Omikron-Variante einen milden Verlauf erwarten lässt, fallen die betroffenen Personen dennoch für mindestens eine Woche aus. Dieses Risiko beeinflusst natürlich das VVK-Verhalten und es kann eine geplante Veranstaltung, aufgrund der eh schon sehr dünnen Personaldecke, komplett zum kippen bringen.
Die genannten Hilfsprogramme sind leider nicht nachhaltig für unsere Branche. Es wird hier Geld auf die Straße geworfen, welches in begrenzter Projektlaufzeit verbraucht werden muss. Das mag uns im laufenden Jahr kurzfristig helfen, die genannten Folgen der Pandemie werden wir jedoch in den kommenden Jahren weiterhin spüren. Das bedeutet, die Veranstaltungs- und Kulturbranche benötigt langfristige Hilfsprogramme ohne Verknüpfung an Projektzeiträume und zweifelhafte Projektinhalte. Was uns in erster Linie fehlt, sind keine Lautsprecher oder Lichter. Was fehlt sind langfristige Subventionen für Personal-, Energie- und Betriebskosten. Hier würde es Sinn ergeben, Förderungen entsprechend der Jahresumsätze von einem Durchschnittszeitraum vor 2019 anzusetzen.
Der eigens zur Prüfung von Förderanträge eingesetzte Personalstamm könnte an dieser Stelle eingespart und die Gelder für Verwaltungsinfrastruktur an anderer, sinnvoller Stelle freigegeben werden.
Die GEMA ist längst wieder zur Tagesordnung übergegangen und tut so, als gäbe es keine Einschränkungen mehr in der Branche. Es wird von einer Vollauslastung ausgegangen und die Verträge spiegeln das in ihren Gebühren wieder. Dieser Verwaltungsapparat ignoriert die Realität komplett und ist dabei verbindlich nicht für Rückfragen erreichbar.
Nun sehen wir einem Herbst entgegen, mit weiterhin ideenlosen Corona-Maßnahmen seitens der Entscheidungsträger. Unsere Branche wird weiterhin bei den entscheidenden Einzelregelungen in der Praxis außen vor bleiben. Eine Planungssicherheit rückt wieder in weite Ferne.
Emotional ist das alles schwer verdaulich und es ist niemandem zu verdenken, wenn er dem Idealismus in der Veranstaltungsbranche Adieu sagt und sein Glück auf neuen Wegen sucht.
Der vorliegende Text verwendet sprachlich das generische Maskulinum (z.B. Techniker) zur sprachlichen Vereinfachung und impliziert gleichermaßen die weibliche Form (Technikerin).