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Gemeinsam kochen, Essen teilen

Alles hängt zusammen. Alles ist miteinander verbunden. Die Gesundheit des Einzelnen mit dem Zustand der Gesellschaft. Der Zustand der Gesellschaft mit der Gesundheit des Planeten. Wie gehen wir miteinander um? Respektierst du Mensch wie Tier? Zählen Gemeinschaftlichkeit, Solidarität, Gleichberechtigung, Respekt und Ehrfurcht vor der Natur wie auch deinen Mitmenschen zu deinen Maximen? Du bist, was du isst – stimmst du zu? Letzte Woche haben wir darüber berichtet, was die KUFA euch schenkt und was sie im Dezember wohnungslosen Menschen in Hildesheim gibt. Diese Woche geht es wieder darum gemeinsam zu essen, gemeinsam Zeit zu verbringen, gemeinsam zu sein. Diese Woche geht es wieder um das Gemeinschaft stiftende Moment beim Essen. Diesmal sinnieren wir über weitere Aspekte der Ethik des Essens.

Abendmenü

Vorspeise nach Wahl

Frischer Salat mit buntem Saisongemüse

Flüssige Vorspeise

Rustikale Kartoffelsuppe nach ländlicher Art

Zum Hauptgang

Feines Ofengemüse aus der Region

Zu allem reichen wir frisch aufgeschnittenes Brot und als Nachspeise weitere Backwaren.

Das ist das Menü an einem ganz normalen Mittwochabend in der SoliKüche (kurz: SoKü), die früher VolxKüche (kurz: VoKü) hieß und ein Teil der ProjektWerkstatt (kurz: ProWe) ist. Wir sitzen im offenen Bereich in der KUFA: Mattis, der „Chefkoch“ der SoKü, erzählt wärend eine Schar Kochbegeisterter sich den Vorbereitungen widmen.

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Das Prinzip SoKü: Gemeinsam schaffen wir das.

Vor einem Jahr noch, erzählt Mattis, standen sie meistens zu zweit am Herd und hatten nur ab und zu ein paar wenige helfende Hände in der Küche. Dann haben sie offensiv Werbung gemacht: Freundinnen und Freunde eingeladen, von den Kochabenden erzählt, Flyer verteilt. Die VoKü hat sich rumgesprochen. Neue Studierende kamen in die Stadt. Der Freundeskreis war plötzlich mit da. Dann konnte das ProWe-Team das Organisationskonzept der VoKü umstellen – und mit diesem Wandel auch den Namen: Aus VoKü wurde SoKü. Und seit ein paar Monaten gibt es vier feste Teams und am letzten Mittwoch im Monat ein Planungstreffen. Spontane Absprachen werden über Messenger-Apps getroffen – wenn jemand krank wird, ein Gewürz plötzlich alle ist oder doch noch zusätzliche Lebensmittel eingekauft werden müssen. Die Teams bestehen aus mindestens zwei Menschen, die sich an jeweils einem Mittwoch im Monat treffen und das Kochen an diesem Abend betreuen. Sie kennen dann auch die Abläufe in der SoKü: Sie wissen, wo Pfeffer und Salz stehen, sie wissen, welches Geschirr benutzt und wo es gespült werden kann. Sie kennen all die wichtigen Kleinigkeiten in der Küche und wissen die Gäste in die ProWe im 2. Stock zu geleiten. Dort wird gemeinsam gegessen.

Der gemeinschaftliche Aspekt

Neben der verbesserten Arbeitsaufteilung gibt es inzwischen auch insgesamt mehr Beteiligte – sowohl in den Teams als auch spontan Interessierte. Manchmal, wie an diesem Mittwoch, sind so viele fleißige Helferlein im offenen Bereich, dass Mattis zu einer Handvoll Neuankömmlingen sagt: „Voll nett, dass ihr hier seid. Aber gerade gibt es wirklich nichts zu tun. Ihr könnt euch später ganz entspannt einfach nur zum Essen dazugesellen.“ Dass die SoKü dank Flyern und Mundpropaganda so viel Zuwachs bekommt, war 2018 nicht absehbar. Am Anfang, kurz nach der Umstrukturierung, habe er noch den Gedanken gehabt: „Ohne mich läuft das nicht.“, erzählt Mattis. Doch langsam kann er loslassen: Auch das letzte Team bekommt demnächst seinen eigenen Schlüssel für den Utensilienschrank. Dann muss Mattis nur noch an jenem Mittwoch selbst vor Ort sein, an dem er mit seinem Team kocht.

Gemeinsam vegan

Während die Menschen um uns herum schälen, schaben und schnippeln, fällt auf: weit und breit kein Fleisch. Die SoKü kocht vegan. Denn vegan ist der kleinste gemeinsame Nenner für alle. Vegan können alle essen. Darüber hinaus steht eine politische Denkart dahinter: Das Wohl der Tiere zu verteidigen und zu schützen, Tiere als dem Menschen gleichberechtigte Lebewesen zu sehen und ihre Ausbeutung durch die Nahrungsmittelindustrie zu verhindern, entspringt linkspolitischen Diskursen. Daher kocht die VoKü schon immer vegan. Und auch überall. Nicht nur in anderen Städten gibt es weitere VoKüs. Auch in Hildesheim gibt es eine zweite: die komplett studentisch organisierte Donnerstags-VoKü im Café Brühlchen.

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Spendengelder zum einen …

Doch neben all dem Spaß zusammen zu kochen, in Gemeinschaft zu essen. Neben all dem gesunden Essen, dem günstigen oder gar kostenlosen Essen. Kurzum: Neben dem Wohl für Körper, Geist und Seele ist die ganze Arbeit, die in der SoKü steckt ehrenamtlich. Was einen Menschen dazu bewegt, ein Ehrenamt aufzunehmen, ist wahrscheinlich so individuell wie die Menge an Salz, die sich jede*r einzelne in die Suppe tut. Es ist vielleicht das Gefühl, etwas Gutes zu tun, der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Vielleicht ist es der Anreiz, neue Leute kennen zu lernen, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten. Es ist für den Lebenslauf. Für die Sache an sich – sei sie politisch oder nicht. Oder es ist ein ganz anderer Grund. Die SoKü als Projekt gehört zur ProWe, die ein gemeinnütziger Verein ist und damit berechtigt, Spendengelder anzunehmen. „Wir finanzieren uns komplett über Spenden und bekommen keinerlei Zuschüsse. Essig und Öl, Nudeln und Reis, abgepackte Lebensmittel wie Soja-Sahne und Gewürze – also alles, was nicht so schnell verdirbt, kaufen wir von den Spendengeldern ein.“

… gespendete Frischprodukte zum anderen.

„Alle frischen Produkte wie Gemüse, Brot und Kuchen sind Spenden von Marktständen.“ erklärt Mattis. Das funktioniert deshalb so gut, weil immer mittwochs der Wochenmarkt auf dem Neustädter Markt und vorm Rathaus stattfindet. Und dort gibt es Stände, die mit der SoKü kooperieren. Eine Person aus dem ProWe-Team leiht sich ein Lastenrad bei hilde-lastenrad.de und fährt kurz bevor der Markt schließt alle Stände ab. Auf dem Neustädter Markt gibt es eine Bäckerei, die immer reichlich Brot und Backwaren gibt. Und zwei Gemüsestände, plus zwei weitere Stände auf dem Markt am Rathaus. Alle geben kostenfrei ab, was nicht verkauft wurde, nicht mehr verkauft werden kann oder nicht wieder mit zurückgenommen werden soll. Ebenso spendet der Hildesheimer Naturkostladen „die Knolle“ regelmäßig Lebensmittel. Und manchmal kommen auch Privatmenschen zur SoKü oder in die ProWe, um Sachspenden vorbeizubringen. Von Tellern und Besteck über Nudeln bis hin zu Gewürz alles, was über ist.

Das Prinzip Anti-Wegwerfgesellschaft

Darin zeigt sich, wie gut das Grundprinzip der SoKü ankommt: Weiterverwerten, was sonst weggeworfen würde. „Wir leben in einer absoluten Wegwerfgesellschaft. 60 bis 70 Prozent aller Lebensmittel, die du im Supermarkt siehst, werden nicht verkauft, sondern landen im Müll.“ Das seien die Fakten aus Studien und Presse, so Mattis. In Hildesheim wie auch in vielen anderen Städten der Bundesrepublik gibt es Menschen, die „containern“. Das heißt, man rettet aus den Müllcontainern der Supermärkte, was aus rechtlichen Gründen (Mindesthaltbarkeitsdatum etc.) weggeworfen werden muss, aber eigentlich noch verzehrt werden kann. Menschen, die containern, essen nicht etwa Müll oder verschimmelte Produkte. Genau genommen ist es rechtlich gesehen zwar tatsächlich Müll und damit Hausfriedensbruch und eventuell Sachbeschädigung, wenn man sich aus den Containern bedient, die einem Supermarkt gehören. Aber viele der Lebensmittel, die weggeworfen werden (müssen), sind eben noch genießbar. Container lässt die SoKü aus. Zumal gibt es in Hildesheim inzwischen auch völlig legale und gut funktionierende, weil einfach zugängliche Foodsharing-Stellen zum Austausch oder Ablegen von Nahrungsmitteln zwecks Weiterverwertung für Privatpersonen.

Gemeinsam sein heißt, solidarisch sein

Neben der Subkultur des Containerns und des Foodsharings will auch die SoKü eine Gegenkultur etablieren – und noch mehr: „Wir retten Lebensmittel und verwerten sie. Dabei wollen wir auch Menschen, die nicht so viel Geld haben, ein gutes und günstiges Essen anbieten. Wenn man in der SoKü isst, kann man also eine Spende dalassen – oder auch nicht.“ Diese solidarische Haltung lädt alle zum Essen ein: von Menschen aus dem Wohnungslosenheim direkt neben der KUFA, über Studierende bis hin zu allen anderen Bürger*innen, die Spaß am gemeinsamen Kochen und Essen haben, das Projekt unterstützen oder einfach mal die vegane Ernährung kennen lernen wollen.

SoKü, Logo, Kochtopf, Gemüse, Suppe

Der Termin

Immer mittwochs: mitkochen ab 17 Uhr im offenen Bereich (1. OG), mitessen ab 20 Uhr in der Projektwerkstatt (2. OG).

Mehr Informationen …

… zur ProWe gibt‘s auf prowe.org

… zum Thema Foodsharing und die Fair-Teiler in Hildesheim gibt‘s auf foodsharing.de

Mehr zum Thema Tierrecht gibt es unter anderem bei Anonymous for the Voiceless unter https://www.anonymousforthevoiceless.org/

… zum Thema vegane Ernährung ist der Film „Game Changers“ (verfügbar auf Netflix) ein brandaktueller Tipp aus eurer KUFA-Redaktion.